Frühjahrstagung der Gesamtsynode der Ev.-ref. Kirche

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  • Beitrag veröffentlicht:6. Mai 2022

Frühjahrssynode 2022 – Erster Tag

Schwerpunktthema Klimagerechtigkeit

Die Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche kommt vom 5. bis 6. Mai 2022 zu ihrer Frühjahrstagung zusammen. Schwerpunktthema der 61 Synodalen ist die Klimagerechtigkeit. Dazu hält die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin, am Donnerstag einen Eröffnungsvortrag. Nachmittags arbeiten die Synodalen in Arbeitsgruppen zum Thema. Am Freitag stehen die Beschlussfassung über ein Klimaschutzkonzept auf der Tagesordnung.

Die Frühjahrstagung der Gesamtsynode der Evangelisch-reformierten Kirche ist mit einem Abendmahlsgottesdienst eröffnet worden. Der Gottesdienst fand unter Pandemiebedingungen mit Abstand in der Emder Johannes a Lasco Bibliothek statt. Anschließend begannen die Synodenmitglieder ihre Beratungen.

Eine Minute Schweigen für die Menschen in der Ukraine

Die Gesamtsynode hat ihre Tagung in Emden mit einer Schweigeminute anlässlich des Kriegs in der Ukraine begonnen. Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden sagte: „Der Angriffskrieg auf die Ukraine überschattet in diesen Tagen alles. Wir sind entsetzt über die Bilder brutaler Gewalt, das Leiden der Zivilbevölkerung und das Ausmaß der Zerstörungen.“

Mi einem gemeinsamen Schweigen und dem gemeinsamen Beten drücke die Reformierte Kirche ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine aus, sagte die Kirchenpräsidentin. „Auch, weil wir als Christinnen und Christen der Macht des Gebetes vertrauen.“

Bei der Wieden erklärte vor der Synode: Alle seien sich einig in der Verurteilung des russischen Angriffskriegs einig und ebenso, die Ukraine zu unterstützen. In der Frage der Waffenlieferungen und welche Waffen dies sein dürften, gebe es aber ein breites Meinungsspektrum. Zwar gehöre das Engagement für den Frieden und für friedliche Konfliktlösungen fest zum Bekenntnis der Reformierten Kirche. Waffenlieferungen und der Waffengebrauch seien aber im absoluten Ernstfall vertretbar. Die Kirchenpräsidentin fragte: „Ist die Aggression Putins und seines Regimes ein solcher Ernstfall?“ In der Antwort auf diese Frage gebe es viele Positionen und bei vielen „große Ratlosigkeit“.

Gleichwohl gelte, so Bei der Wieden, dass sich alle Gottes Gebot und der Botschaft des Evangeliums verpflichtet fühlten. Im gemeinsamen Gebet hieß es: „Gott, wie lange soll der Feind so mächtig sein? Greif ihm in die Speichen, Gott, und mach ein Ende mit dem Morden im Osten der Ukraine, in Syrien, im Jemen und wo immer auf der Welt Krieg ist.“

Der Wortlaut des Gebets findet sich hier.

Bericht des Moderamens

Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden

Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel

Die Evangelisch-reformierte Kirche spürt immer stärker den Mitgliederschwund und die sinkende Bereitschaft junger Menschen, den Pfarrberuf zu ergreifen. Während die Kirche in den vergangenen Jahren jeweils rund 2.200 Gemeindeglieder verloren habe, sei die Zahl im vergangenen Jahr auf 3.100 gestiegen, sagte Kirchenpräsidentin Susanne bei der Wieden im Bericht des Moderamens bei der Gesamtsynode in Emden.

„Erschreckende“ Ergebnisse habe die Kirchenaustrittsstudie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ergeben. Sie mache deutlich, dass die eigentliche Ursache für die hohe Zahl der Kirchenaustritte weder in ungeliebten Positionierungen der Kirchen noch in finanziellen Erwägungen, noch in Fehlverhalten und Skandalen leitender Geistlicher zu suchen sei, berichtete bei der Wieden. Vielmehr würden kirchliche Negativ-Schlagzeilen zum Anlass genommen, eine längst gefühlte Distanz durch Austritt zu besiegeln.

„Das Problem der Kirche ist die Entfremdung ihrer Mitglieder vom Glauben und von Gestalt und Inhalt kirchlichen Lebens“, unterstrich die Kirchenpräsidentin. Dies müsse als Herausforderung verstanden werden. „Wir werden sie nur gemeinsam meistern. Als gesamte Kirche.“

„Dramatisch“ entwickle sich zudem der Rückgang beim Pfarrpersonal und weiteren Fachkräften. „Die Lage ist ernst. Der Mangel an Pfarrpersonal hat sich lange angekündigt, jetzt ist er angekommen“, sagte die Kirchenpräsidentin. In den nächsten Jahren sei zudem mit einer großen Zahl an Pensionierungen zu rechnen. Geradezu „alarmierend“ sei der fehlende theologische Nachwuchs. In diesem Jahr habe lediglich eine junge Theologin ihr Zweites Examen abgelegt.

Die Kirchenpräsidentin appellierte an die Solidarität der Gemeinden. Weite sich der Blick nicht, drohten drei Klassen von Gemeinden: Gemeinden mit „eigenen“ Pastoren, solche mit einer Dauervakanzvertretung und Gemeinden, die irgendwie mit versorgt werden. Veränderungen seien möglich. „Aber das müssen wir wollen.“

(Quelle: Bericht des Evangelischen Pressedienstes/epd)

Bericht des Moderamens als pdf

Wahl in das Moderamen der Gesamtsynode

Frauke Fokke, Pastorin in Wolthusen, und Bernd Roters, Pastor in Veldhausen, sind in das Moderamen der Gesamtsynode gewählt worden, Die Wahl war notwenduig, weil Steffi Sander aus Hinte und Reiner Rohloff aus Bad Bentheim ihre Ämter abgegeben hatten.

Anschließend stimmte die Gesamtsynode dem Vorschlag des Moderamens zu, Bernd Roters zum zweiten stellvertretenden Präses der Gesamtsynode zu berufen.

Schwerpunktthema Klimagerechtigkeit

Dagmar Pruin

„Brot für die Welt“ fordert mehr Geld für zivile Konfliktbewältigung

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, hat angesichts des russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gefordert, mehr Gelder für zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in den Bundeshaushalt einzuplanen. „Die Gefahr künftiger Kriege wird nicht gebannt, wenn wir jetzt einseitig auf militärische Lösungen setzen“, sagte sie bei der Gesamtsynode in Emden. Pruin hielt das Auftaktreferat zum Schwerpunktthema Klimagerechtigkeit.

Wichtig sei, nun an die diplomatischen Gesprächskanäle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) anzuknüpfen und gesamteuropäische Sicherheitskonzepte weiterzuentwickeln, unterstrich Pruin: „Wir brauchen eine europäische Sicherheitsarchitektur, die garantiert, dass Grenzen geachtet werden und dass sich Sicherheit an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.“

Perspektivisch müsse die Zivilgesellschaft in der Ukraine und auch in Russland weiter gestärkt werden, hob Pruin hervor. „Den Krieg eines aggressiven Autokraten wird man damit nicht beenden, aber man kann Brücken bauen und Frieden und Versöhnung fördern.“

Als Folge des Kriegs in der Ukraine seien die Preise für Weizen auf dem Weltmarkt explodiert, sagte Pruin. Die importabhängigen Ernährungssysteme in vielen Ländern des Globalen Südens seien aber sehr krisenanfällig. Um sie zu unterstützen, müsse das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen besser ausgestattet werden. Weiter müsse Entwicklungsländern geholfen werden, den Brotpreis kurzfristig stabil zu halten.

Besonders betroffen seien afrikanische Staaten, aber auch Länder im Mittleren Osten. „Es trifft immer die Ärmsten der Armen am stärksten. Für ein Bürgerkriegsland wie den Jemen sind die Folgen katastrophal. Dem bitterarmen Land droht eine dramatische Verschärfung der Hungersnot“, verdeutlichte Pruin.

Die globale Klimakrise sorge dafür, dass sich die Lage zuspitze. Die Folgen dieser Entwicklung kämen drastischer und schneller zum Tragen als Experten dies noch vor 20 Jahren prognostizierten. Derzeit gebe es weltweit drei Mal mehr Klimaflüchtlinge als Kriegsflüchtlinge, sagte die Chefin des Hilfswerks. Fachleute gingen davon aus, dass allein in Afrika bis 2030 etwa 700 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden könnten. Das sei die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents.

(Quelle: Bericht des Evangelischen Pressedienstes/epd)

Frühjahrssynode 2022 – Zweiter Tag

Präses Norbert Norholt eröffnete nach einer Andacht von Pastorin Ute Schulz aus Möllenbeck den zweiten Synodentag.

Wahl in die EKD-Synode

Thomas Brost aus Leipzig vertritt die Evangelisch-reformierte Kirche zukünftig in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Brost rückt damit für Reiner Rohloff aus Bad Bentheim nach, der dieses Amt abgegeben hatte.

Brost erhielt 26 Stimmen aus der Synode, Rena Grimm aus Emden 21 Stimmen.

BASIS:KIRCHE

Das YouTube-Projekt BASIS:KIRCHE hat sich bei der Gesamtsynode vorgestellt. Lukas Schienke und Hanna Siepmann vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen sowie Pastorin Anne Walter aus Hameln präsentierten das gemeinsame Videoprojekt der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen.

Seit Anfnag des Jahres wird über den YouTube-Kanal BASIS:KIRCHE dreimal pro Woche ein kirchliches Video veröffentlicht, dass sich vorwiegend an ein jüngeres, nicht kirchlich gebundenes Publikum wendet. Anne Walter aus Hameln ist eine der sogenannten Creatorinnen und mit einem Stellenanteil von 25 Prozent bei der BASIS:KIRCHE beteiligt.

Link zur BASIS:KIRCHE bei YouTube

Klimaschutz auf den Weg gebracht
Planspiel zur CO-2 Einsparung in Kirchengemeinden. Foto: Ulf Preuß

Mit einem kirchlichen Klimaschutzkonzept startet die Evangelisch-reformierte Kirche den Weg Richtung Klimaneutralität. Die in Emden tagende Gesamtsynode stimmte dem Konzept des kirchlichen Ausschusses für Nachhaltigkeit und Ökologie zu. Das 170-Seiten-starke Papier beschreibt die Treibhausgas-Emissionen zurzeit und zeigt Wege auf, um diese deutlich zu reduzieren. Dabei strebt die Synode an, sämtliche CO-2-Emissionen der Kirche bis 2035 um 90 Prozent zu senken. Bis zum Jahr 2045 sollen auch die fehlenden zehn Prozent folgen.

„Die Folgen der globalen Erwärmung – Auftauen der Permafrostböden, Abschmelzen der Polkappen, Brände, Wirbelstürme und Hitzerekorde – treten uns immer deutlicher vor Augen. Eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten hängt entscheidend davon ab, dass wir der Erderwärmung mit allen Mitteln entgegentreten“, sagte Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden. „Uns kommt – nehmen wir unsere Tradition ernst – dabei eine Vorbildfunktion innerhalb unserer Gesellschaft zu.“ Es gebe den klaren theologischen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung.

Etwa drei Viertel der Emissionen von jährlich rund 5.000 Tonnen CO-2 stammten aus den Gebäuden der Kirche, erläuterte Vizepräsident Helge Johr. Allein 1.600 Tonnen gingen auf die sakralen Gebäude wie Kirchen und Kapellen zurück. Der Rest verteile sich auf Pfarrhäuser, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Mobilität und Beschaffung.

Kirchenpräsidentin Bei der Wieden lobte die Vorarbeiten: „Mit dem vorliegenden Klimaschutzkonzept zeigt nun auch unsere Kirche einen umfassenden Maßnahmenkatalog auf, möglichst effizient und effektiv CO-2 einzusparen.“ Nun müsse auf allen Ebenen beraten werden, wie dies geschehen könne.

Eine besondere Herausforderung sei der kirchliche Gebäudebestand. Viele Kirche seien denkmalgeschützt, so dass energetische Maßnahmen nicht einfach umzusetzen seien. Zurzeit rechne man mit Kosten von rund 4 Millionen Euro pro Jahr bei der Gebäudesanierung, so Johr. „Wir werden neu lernen müssen, unsere Ressourcen – auch unsere Gebäude – miteinander zu teilen“, sagte die Kirchenpräsidentin. Auch die Aufgabe von kirchlichen Gebäuden dürfe kein Tabu sein. Der Vorsitzende des landeskirchlichen Finanzausschusses, Dieter Mansholt aus Emden, sprach von einem Aufbruchsignal.

Als erste Maßnahmen beschloss die Synode, künftig auf ausgedruckte Synodenunterlagen zu verzichten und diese nur noch digital in einer Kirchen-Cloud einzustellen. Außerdem soll bei künftigen Synoden auf Fleisch verzichtet und nur noch vegetarisches Essen angeboten werden. Neben der Stelle des Klimaschutzmanagers Roland Morfeld, der das vorliegende Klimaschutzkonzept ausgearbeitet hatte, soll eine zweite Stelle für den Klimaschutz geschaffen werden, die die Kirchengemeinden in der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen berät.

Friedensprozess im Nahost-Konflikt fördern

Die Gesamtsynode unterstützt ein Positionspapier zur Versöhnung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Das Papier wurde gemeinsam von den evangelischen Landeskirchen der Pfalz, Hessen-Nassau, Baden, Rheinland und Westfalen verfasst.

Der Text mit dem Titel „Israel – Palästina – Leitgedanken und Thesen“ beinhalte Leitgedanken für einen konstruktiven Diskurs, so Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden in dem Konflikt zwischen Israel und Palästina. Hintergrund sei die aktuelle Debatte über wachsenden Antisemitismus sowie die kontroversen Auseinandersetzungen in Deutschland und innerhalb der weltweiten Kirchengemeinschaft über den Nahostkonflikt.

Der Text betont die besondere Verbundenheit der christlichen Kirchen mit dem Judentum und dem Staat Israel. Gleichzeitig unterstützt er das Streben der Palästinenser nach staatlicher Souveränität. Einen umfassenden Waren-Boykott wegen der israelischen Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten lehnen die Kirchen ab. Zudem dürfe Religion nicht zur Legitimierung von politischen Machtansprüchen missbraucht werden.

Schärfung von Prävention sexueller Gewalt

Die Evangelisch-reformierte Kirche regelt ihre Bestimmungen zum Schutz vor sexueller Gewalt neu. Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden machte vor der Synode die Dringlichkeit deutlich: „Sexualisierte Gewalt findet sich in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens, leider auch in der Kirche. Das ist umso schlimmer, als sexualisierte Gewalt dem, was wir glauben und dem, wofür wir stehen, förmlich ins Gesicht schlägt.“

Sexualisierte Gewalt wachse in Systemen des Schweigens und Wegschauens, das die Täter schützt und die Opfer in ihrer Selbstwahrnehmung zurückweist und verunsichert, so die Kirchenpräsidentin.

Ein zentraler Aspekt des aktualisierten Gesetzes ist daher, dass Täter sexualisierter Gewalt nicht geschützt werden dürfen und können. Die Kirche will eine neue Stelle schaffen, die die Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen berät, Konzepte zur Prävention vor sexualisierte Gewalt zu entwickeln. Zukünftig werden alle kirchlichen und diakonischen Einrichtungen verpflichtet, solche Konzepte festzulegen. Kirchliche Beschäftigte müssen zukünftig regelmäßig Fortbildungen zum Thema absolvieren. Die Synodalverbände müssen Missbrauchsbeauftrage benennen. Vizepräsident Helge Johr sagte: „Es muss der Blick entwickelt werden, es kann auch bei uns passieren.“

Das Gesetz legt außerdem fest, dass in Verdachtsfällen von sexueller Gewalt, zwingend die Staatsanwaltschaft und die Kirchenleitung eingeschaltet werden müssen. Johr betonte, auch wenn die Staatsanwaltschaft ein Verfahren, etwa wegen Verjährung, einstelle, sei es trotzdem im Rahmen des kirchlichen Disziplinarrechts möglich, Täter zu belangen. Das Strafmaß reiche von der Ermahnung über Bußgelder bis zur Entfernung aus dem Dienst.

Zudem werden die Evangelisch-reformierte Kirche zusammen mit ihren Nachbarkirchen eine Kommission einrichten, die mögliche Fälle sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit aufarbeitet.

Die Aufzeichnungen der Frühjahrstagung finden sich auf YouTube.

Text und Bilder: Ev.-ref. Kirche