Die Geschichte der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern ist zunächst die Geschichte der einzelnen Gemeinden
Das Pfälzische Religionsedikt führte zunächst dazu, dass auch die Oberpfalz reformiert wurde.
Reformierte Gemeinden entstehen in Bayern vor allem durch Zuwanderer.
Erste reformierte Einflüsse
Schon von den ersten Anfängen der Reformation an gab es im Bereich des heutigen Bayern reformierte Einflüsse. Diese Einflüsse, die vor allem in Schwaben und Franken wirksam wurden, blieben jedoch meist diffus und sporadisch, nicht fähig, sich auf Dauer gegenüber Katholizismus und Luthertum zu behaupten. Dies gilt erst recht für den Zeitraum der strengen Konfessionalisierung, die u.a. dazu führte, dass im Augsburger Religionsfrieden von 1555 unter dem Prinzip cuius regio, eius religio zwar das lutherische, nicht aber das reformierte Bekenntnis reichsrechtlich anerkannt wurde.
Erste (heute) bayerische reformierte Gemeinden im Allgäu
Allerdings sind hier zwei Ausnahmen zu verzeichnen. Die erste hat bis in die Gegenwart Bestand. 1559 ließen die Herren Philipp und Wolfgang von Pappenheim in ihrem kleinen Territorium im Allgäu, den beiden Ortschaften Herbishofen und Grönenbach, das reformierte Bekenntnis zu, zu dem sie selber übergetreten waren. Obwohl ihnen der Lehnsherr, der Fürstabt von Kempten, wiederholt Widerstand entgegensetzte, konnten die Reformierten über Jahrhunderte hinweg ihre Religionsfreiheit behaupten. Die engsten Verbindungen der Allgäuer Gemeinden bestanden zur reformierten Kirche in Zürich; auch heute noch ist das schweizerische Gesangbuch bei ihnen in Gebrauch. Nachdem das Allgäu 1802 zu weiten Teilen nach Bayern eingegliedert worden war, traten sie im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Gesamtzusammenhang mit den bayerischen reformierten Gemeinden, die als Folge von Einwanderungen entstanden waren.
Die bedeutendere Ausnahme ist markiert durch den Übertritt des Heidelberger Kurfürsten Friedrich III. zum Calvinismus. Friedrich III. und seine Nachfolger, sofern sie nicht wieder lutherisch geworden sind, haben versucht, auch in der Oberpfalz die Kirche im reformierten Sinne neu zu gestalten, was zu erheblichen Auseinandersetzungen, aber auch zu beachtlichen Erfolgen der kurfürstlichen Religionspolitik führte. Diese Entwicklungen fanden mit dem Scheitern von Kurfürst Friedrich V. nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag jedoch ein jähes Ende: Ab 1625 wurde die Oberpfalz durchgreifend rekatholisiert; die Gegner der Rekatholisierung mußten auswandern. Einige der Auswanderer haben dann jedoch zur Gründung der nächsten reformierten Gemeinde beitragen, die ab 1650 in Nürnberg entstand.
Die Gemeinde in Nürnberg entsteht als Reaktion auf die Rekatholisierung in der Oberpfalz
In Nürnberg hatten sich viele ausländische Kaufleute angesiedelt, darunter auch solche aus den reformierten Niederlanden. Diese wollten nach der reichsrechtlichen Anerkennung des reformierten Bekenntnisses durch den Westfälischen Frieden von 1648 zusammen mit den reformierten Flüchtlingen aus der Oberpfalz eine eigene Gemeinde in Nürnberg gründen. Damit stießen sie bei der oligarchischen lutherischen Stadtregierung der freien Reichsstadt allerdings auf wenig Verständnis. Deshalb bekamen sie das Recht der Religionsausübung auch nicht in Nürnberg selbst, sondern ab 1658 zunächst im Ansbachischen Stein und ab 1703 auch im Vorstadtort Wöhrd. Erst 1800 wurde ihnen innerhalb der Stadt Nürnberg mit der Marthakirche sowohl eine dauernde Stätte als auch das Recht auf öffentliche Religionsausübung gewährt.
Hugenotten gründen Gemeinden in Bayreuth, Erlangen, Schwabach und Wilhelmsdorf
Der nächsten Welle reformierter Zuwanderung nach Franken wurde der Weg durch die Offenherzigkeit des Ansbacher Markgrafen gegenüber der reformierten Gemeinde in Nürnberg gebahnt. Ausgelöst wurde die Zuwanderung durch den Sonnenkönig Ludwig XIV., der 1686 mit dem Edikt von Fontainebleau das Edikt von Nantes (1598) aufgehoben hatte. Daraufhin waren ca. 200.000 Hugenotten ins Ausland gewandert, einige davon auch nach Franken. Die Markgrafen in Ansbach und Bayreuth ließen sie in ihre Territorien einwandern, erlaubten ihnen die Ansiedlung und gewährten ihnen Religionsfreiheit. So entstanden Gemeinden reformierter Exulanten in Bayreuth, Erlangen, Schwabach und Wilhelmsdorf (1926 aufgelöst). Die Markgrafen erhofften sich durch die Hugenotten offenbar einen wirtschaftlichen Aufschwung in ihren verwüsteten Ländern, galten sie doch als fleißig und den fränkischen Einwohnern in Handwerk und Handel überlegen. 1693 entstand in Erlangen zusätzlich eine deutsch-reformierte (Pfälzer) Gemeinde, die sich aber 1922 mit der französisch-reformierten Gemeinde vereinigte.
Gemeindegründungen in Marienheim und München
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden in Bayern noch mehrere reformierte Gemeinden gegründet. Die erste entstand 1848 in Marienheim bei Neuburg, als König Ludwig I. zum Trockenlegen und Urbarmachen des Donaumoosgebietes Arbeitskräfte aus der Pfalz herbeiholte. 1926 wurde auch in München eine Gemeinde gegründet, seit 1969 existieren in der Stadtmitte und in Neuperlach sogar zwei Gemeinden. Eine weitere reformierte Gemeinde entstand schließlich durch die 1993 vollzogene Angliederung der ungarisch-reformierten Exilkirche, die sich in München und Nürnberg versammelt.
Insgesamt sind die Reformierten in Bayern als eine kleine Sammlung von Einwanderern und Exulanten zu beschreiben, die hier zwar eine neue Heimat fanden, aber gleichzeitig ihre eigene reformierte Tradition aufrechterhalten wollten. Dieses Ziel konnte weitgehend auch verwirklicht werden, allerdings mit verschiedenen zeitbedingten Anpassungen und Veränderungen. So haben die französisch-reformierten Gemeinden schon im 19. Jahrhundert vom Französischen Abstand genommen. In ihnen überwog das Bewusstsein, in Bayern beheimatet und an diesem Ort auch zum Zusammenleben berufen zu sein. Im Gegensatz zu von außen herangetragenen Vorstellungen von einer “protestantischen Einheit” ist in den reformierten Gemeinden kein Wille vorhanden, in einer Art “unierter Einheitsmischung” des “bayerischen Protestantismus” aufzugehen; vielmehr gilt das eigenständige Selbstbewusstsein, dass es reformierte Gemeinden in Bayern gibt.
A. Heron; M. Freudenberg (Redaktion)